Am 30. Januar machen wir uns auf richtung Ghana. Wir sind voller Erwartungen an dieses Land, können den Wechsel der Vegetation kaum erwarten – endlich raus aus dem Sahel, der sandigen trostlosen Buschlandschaft. Doch die ersten Tage müssen wir regelrecht auf die Zähne beissen. Die Gegend hat sich kaum verändert, auch hier wüten Buschfeuer, zerstören quadratmeterweise Wald, und zu dem bereits tristen Anblick hat sich nun auch das Klima verändert. Es ist feucht-warm und über uns hängt eine riesige Dunstglocke, so dass wir oft nur 300m weit sehen. Drei Tage später erreichen wir Tamale, wo uns einmal mehr eine Krankheit für eine Weile festhält.
Das Fussballfieber graviert überall! Wir erleben life den Viertelfinal Kamerun gegen Tunesien. Doch viel spannender ist der Match Ghana vs. Nigeria, welchen wir mit Einheimischen am TV mitverfolgen. Hier erfahren wir, was wirkliche Fans sind: Bei einem Goal lässt man sich mit grünen Lockenwicklern bestückt auf die Knie fallen, küsst den Bildschirm, ruft inbrünstig: By the blood of Jesus, thank you my Lord! und bestellt sich für die kommenden Strapazen ein weiteres Guiness.
Über Yendi wollen wir auf die Ostseide des Voltasees fahren, aber wir haben genug vom ewigen Sahel-Buschland und nehmen deshalb in Yendi ein Tro-Tro richtung Süden. Nachdem wir im undurchsichtigen Tickethandel hin- und her geschoben werden, fährt nach einem halben Tag warten endlich der Bus ab. An jeder Haltestelle hören wir, wie unsere Fahrräder auf dem Dach hin und her geworfen werden, wenn Gepäck auf- oder abgeladen wird. Im Minibus beginnt mittlerweilen ein Streit um den Fahrpreis, in den sich nach und nach alle anderen Passagiere einmischen: gesetztere Frauen mit Marktwaren fuchteln mit Kebabspiessen, während jüngere keifend mit der Handtasche drohen... wir verhalten uns möglichst still. Als der Bus bereits in Bimbilla hält, statt wie ausgemacht nach Hohoe weiterzufahren, verlieren auch wir die Gelassenheit für die Weiterfahrt. Nicht nur wir haben gelitten: nachdem der geplatzte Schlauch geflickt, die Bremshebel zurechtgebogen und die Schutzbleche befestigt sind, fahren wir über Holperpiste weiter.
Ab Nkwanta verändert sich endlich die Landschaft: wir sind nun mitten im Regenwald. Am selben Abend suchen wir uns kurz von der togolesischen Grenze einen Ort zum Wildzelten. Es ist einfacher als gedacht: mitten im Urwald finden wir ein gemütliches Plätzchen. Gerade wollen wir mit dem Zeltaufbau beginnen, als wir von einem Ghanesen besucht werden. Nach der langen förmlichen Begrüssungszeremonie meint er, es sei zu gefährlich, hier im Busch zu übernachten, es sei einfach nicht sicher. So bringt er uns zu seinem Bruder: es geht noch tiefer in den Busch, bis wir vor einem einsamen Haus stehen, herzlich werden wir in Empfang genommen. Hier können wir nun sorglos unser Zelt aufschlagen, für uns kein grosser Unterschied, da das Haus gänzlich vom Wald umgeben ist. Aber wie auch immer: es wird ein gemütlicher Abend, erhalten feines ghanesisches Essen und lauschen endlosen afrikanischen Geschichten. Am Morgen werden wir beim Nachbarn zum Palmwein-Frühschoppen eingeladen und machen uns etwas später als sonst auf den Weg nach Badou, Togo.
An der togolesischen Grenze erfahren wir, dass hier eigentlich keine Visa ausgestellt werden. Wir sind so informiert, dass man überall ein 7-Tage Visum erhält, erklären dies dem Zöllner, erzählen von unserer weiten Reise und plötzlich erhalten wir den Eintrittsstempel – mit der Begründung, für die Schweizer gäbe es eine Ausnahme. Gut, vielen Dank und nichts wie weiter, bevor er sichs nochmals anders überlegt. Die Landschaft hat sich nun noch mehr verändert, wir glauben uns im Urwald zu finden: Masoalahalle im Grossformat. Kakao, Kaffee, Bananenpalmen, Lianen, plätschernde Bäche, und feucht ist es! Auch die Topografie ist wieder neu: auf und ab, alle 200m schalten wir vom kleinsten in den grössten Gang.
Nachdem wir im Togo nicht nur von den Kindern, sondern auch von vielen Erwachsenen und allen Polizisten um Geld angebettelt worden sind, haben wir eigentlich keine Lust, in einem Dorf zu übernachten. Aber das Relief und der dichte Wald lassen uns keine andere Wahl – und wir werden wieder sehr herzlich aufgenommen von Kofi, der als Aussenseiter stolz ist, dass die weissen Gäste gleich bei ihm landen... Während Tom mit ihm verschiedene Leute grüssen, den Garten anschauen und Wasser holen geht, wird Iris vom Dorf begutachtet und erhält Besuch von den Frauen und Kindern. Schnell fühlen wir uns wohl, erleben die Jungs als neugierig aber äusserst korrekt, zeigen Fotos aus der Schweiz und schon bald ist die erste Scheu weg und es wird vor allem dank den Kindern ein unvergesslicher Abend.
Nach vier Tagen im Togo wollen wir zurück nach Ghana. Eine wunderschöne Bergstrasse windet sich durch Kakao- und Kaffeeplantagen hoch und wieder runter zur Grenze – wo der pflichtgetreue Beamte unser fehlendes Visum bemerkt. Wir müssten in die Hauptstadt Lomé fahren und uns ein Visum ausstellen lassen – nicht gerade ein Katzensprung mit dem Velo. Über eine Stunde geht es hin und her, wir kalkulieren unsere Chancen, einfach durchzubrechen, machen unseren bevorstehenden Rückflug geltend und werfen die kranke Verwandtschaft in die Waagschale – aber es scheint nichts zu helfen, nicht einmal Toms kaum verhülltes Angebot, dem Grenzort eine Donation zukommen zu lassen... bis plötzlich alles geht, wir den Exitstempel ohne Schmiergeld erhalten und nach dem Austausch unserer Visitenkarten über die Grenze dürfen. Uff! Zwei Tage erholen wir uns in der schönen Waterfall Lodge in Wli, besuchen die beiden Wasserfälle und geniessen ein Bad im kühlen Wasser mitten im Urwald.
In vier langen Fahrtagen radeln wir die 320km auf der dicht befahrenen Strasse nach Kumasi, der zweitgrössten Stadt Ghanas. Die Fahrzeugbeschriftungen in Ghana sind oft die einzige Aufmunterung. Der Fantasie sind oft keine Grenzen gesetzt: Bibelverse, Glaubensbekenntnisse oder Gottesanrufungen sind am beliebtesten. Es kann gut sein, dass man gerade von einem Kleinlaster Sweet Jesus überholt wird, während sich auf der Gegenfahrbahn Galater 5:19 und Jeremiah 33:3 ein halsbrecherisches Rennen liefern. Da hält man sich am besten ans nächste Sammeltaxi: Stick to Jesus – lieber als an dessen Kühlerhaube jedenfalls... sonst bleibt nur noch der Gang zum New Life Funeral and Fashion Store am Strassenrand.
Die drei Tage in Kumasi vergehen im Nu. Der grösste westafrikanische Markt versetzt uns in Staunen und noch nie konnten wir so unbelästigt und ohne Anmache durch die Marktgassen schlendern: Stoffe, Gewürze, Fische neben Beautyarktikeln, Schuhmacher, Schneider, Schweinefüsse neben Schafsköpfen, Gemüse neben Gerbereien und so weiter. Auch Kumasi selber erleben wir als äusserst lebhafte Stadt, doch obwohl wir das Pulsierende genossen, zieht es uns weiter ans Meer.
Wieder scheinen wir Ameisen in den Hosen zu haben und radeln in drei Tagen ans Meer, vorbei an Goldminen, Kautschukplantagen und begeleitet von viel Verkehr. Letzteres hat es in Ghana wesentlich mehr als in den frankophonen Ländern. Allgemein fällt uns auf, dass es hier eine viel grössere Mittelschicht gibt. Das Land scheint die letzten Jahre einen Aufschwung erfahren zu haben, dies dank den Gold- und Diamantenminen, dem hohen Weltmarktpreis für Kakao, und den Kaffee- und Kautschukplantagen. Umso ärmer erscheinen im Kontrast dazu die Verlierer in der kapitalistischen Welt Ghanas: die Trägerinnen, die an den Busstationen auf Arbeit warten, während ihre Kinder in den Tragschüsseln schlafen, oder der Knabe, noch nicht sieben Jahre alt, der am Strassenrand Steine zu Schotter klopft, womit die Reichen ihren Vorplatz bestreuen.
Erschöpft und ausgelaugt erreichen wir am 26.2. in Beyin das Beach Resort. Hier gönnen wir uns fünf Ferientage. Es ist wunderschön und das Meer warm. Wir nutzen die Zeit, um auf die vergangen zehn Monate im Sattel zurückzuschauen, und wagen einen Blick in die Zukunft, auf unseres neues Leben in der Schweiz.
Morgen, am 3. März müssen wir uns schweren Herzens wieder auf die Räder schwingen, damit wir rechtzeitig in Accra eintreffen, die Tage als Radnomaden sind gezählt... eines der letzten Reiseziele ist nun nur noch, täglich ein Bad im warmen Atlantik zu nehmen.
Liebe Afrikareisende Schön,
Schön, der neue Bericht ist da. Jetzt haben wir aber lange darauf gewartet, gäu! Und so freuen wir uns nun darüber. An alle, die nun zuerst den Bericht lesen. Unbedingt die Bilder anschauen gehen. Es hat ein paar handgemalte Werbungen. Ich fand das in Afrika ganz toll. Das mag ich. Darum hier auch ein danke für die Bildli.
und noch liebi Grüess
dave