Spanien

Das Versprechen wurde gehalten: Zuoberst auf dem Col du Pourtalet packen wir uns warm ein: Mützen, Handschuhe, mehrere Schichten Kleider, so dass wir die Abfahrt nach Spanien auch richtig geniessen können. Nach wenigen Metern kommt die Sonne, blauer Himmel und Rückenwind - like in paradise! Abends finden wir den besten Wild-Zeltplatz bis anhin, auf einer leicht erhöhten Terasse mit Blick auf die Pyrenäen und Richtung Pamplona. Der Tag entschädigt für viel Mühsal der letzten Tage und lässt auch uns an die Sonnenecke Europas glauben. 

Durch Kornfelder und verlassene Dörfer fahren wir in die navarresische Hauptstadt, wo wir auf den Jakobspilgerweg treffen. Der Kontrast zwischen Frankreich und Spanien ist augenfällig: ist Pamplona während der Siesta zwischen 14 und 17 Uhr beinahe ausgestorben, füllen sich die Gassen und Plätze dann plötzlich mit Kinderwagen, Elterngruppen, Teeniecliquen und Grosseltern, die das Wochenende bei Rioja und ein paar Tapas ausklingen lassen wollen. Alle sind sehr herzlich zueinander aber auch sehr hilfsbereit zu den beiden Radtouristen, und am meisten werden natürlich die Kinder vergöttert, die alles dürfen und auch tun...

Weiter entlang von Felsstufen und Geierkolonien ins hügelige und wieder regnerische Baskenland - von der in derselben Zeit erfolgten Kündigung des Waffenstillstands durch die ETA erfahren wir erst viel später; ausser durchgestrichenen spanischen Ortsnamen und martialischen Graffiti erinnert kaum etwas an den latenten Konflikt um die baskische Unabhängigkeit. Die Prosperität und insbesondere die enorme Bautätigkeit sind so greifbar wie auch sonst in Spanien. Am 5. Junio erreichen wir endlich den Golf von Biskaya, in Mundaka geniessen wir das erste Bad im Atlantik und suchen die ersten Muscheln am Sandstrand.

Die Hoffnung, an der Küste etwas weniger auf und ab fahren zu müssen, wird schnell zerstört; es ist ein ewiges rauf und runter, dafür werden wir oben meist mit einer fantastischen Aussicht aufs Meer belohnt. Wenn es dann neblig ist, fehlt auch das letzte Zückerli für den ganzen Chrampf. Wir folgen der Küste durch duftende Eukalyptuswälder, werfen einen Blick auf die Hülle des Guggenheim in Bilbao und finden in Comillas endlich den perfekten Zeltplatz direkt auf der Klippe, mit freier Sicht auf die Brandung, gleich neben dem Strand und mit viel Sonne. So schalten wir einen Extra-Ruhetag ein, der aus vamos a la playa besteht...

Später queren wir die Cordillera Cantabrica auf über 1600m. Bei so vielen Höhenmetern steigt die körperliche Verbrennung deutlich und die französischen Boulangerien haben wir längst durch spanische Heladerias ersetzt. Der Guetslikonsum nimmt ebenfalls zu, so dass wir nicht nur Kilometer fressen sonder allgemein zu Fressern geworden sind. In León gehen wir so weit, dass wir uns schlichtweg mit einer hervorragenden Pastete (1.2kg, gefüllt mit Ei, Schinken, Peperoni, Thunfisch...) und ein paar anderen Kleinigkeiten überessen und uns Bauchkrämpfe vorübergehend zum Stillstand bringen... Alles muss gelernt sein!

Ebenfalls in León treffen wir wieder auf den Camino de Santiago. Mit dem Pilgern ist es so eine Sache: selten genug sind die Perlen auf dem Weg, die auf Wanderwegen durch einsame Landschaften führen. Im Normalfall folgt der Camino hingegen der 100km/h-Hauptstrasse, manchmal gar auf dem Pannenstreifen, durch wenig interessantes Gebiet und umrauscht von den vorbeidonnernden Lastwagen. Während wir die 50km von León nach der Schokoladenstadt Astorga in einem halben Tag hinter uns bringen, benötigen die Fusspilger fast zwei Tage - wahrlich keine Wohltat. Da bleibt uns dann nur, froh zu sein über unsere Flexibilität und Buon Camino zu wünschen.

Durch Milchwirtschaftsgebiete, Eukalyptuswälder und Ginsterhänge fahren wir wieder nordwärts, verlassen den Camino und erreichen bei Viveiro wieder das Meer, kurz vorher feiern wir unsere 3000km-Marke. Gestärkt von zwei Ruhetagen nach vielen langen Etappen nehmen wir uns die hügelige Nordwestecke Galiziens vor, zelten hoch über dem Atlantik am Cabo Ortegal auf 600m, geniessen kilometerlange Sandstrände (wenn denn mal die Sonne scheint) und kommen am 26. Juni in La Coruña an.

Am 28. steigen wir ins Flugzeug Richtung Zürich: wir sind Überraschungsgäste bei Ursinas und Ralfs Hochzeit. Vier Tage Thurgau mit Geburtstagsfest, Hochzeitsfeier, Gottenfreuden und Elternbesuchen gehen vorbei wie im Traum, und am 2. Juli sitzen wir bereits wieder im Iberia-Flug zurück nach Galizien.