Mali

Acht Monate sind wir nun unterwegs, 12’000km geradelt und über 900 Stunden im Sattel verbracht. Sollte man da nicht denken, der altbewährte Brooks Sattel, worauf jeder Velofreak schwört, ist nun weich und hat sich dem Hintern angepasst? Die Antwort ist enttäuschend: nein, hart wie eh und je! Aber nun Themawechsel, euch interessiert wohl mehr, was wir den letzten Monat in Mali erlebt haben.

Kédougou

So machen wir uns am 4. Dezember auf und fahren auf immer schmaler werdenden Pisten der malisch-senegalesischen-Grenze zu. Nicht die grossen Tiere machen uns da zu schaffen, sondern eine üble Tsetse-Fliege-Plage, die bremsenartigen Plagegeister werden von unseren Packtaschen magisch angezogen und starten immer wieder schmerzhafte Angriffe. Das Leid wird jedoch in Satadougou, letztes senegalesisches Dorf vor der Grenze, gelindert, in dem wir in die Pause der Dorfschule geraten und von einer Horde fröhlicher Kinder umringt werden. Wieder einmal sind wir die Attraktion, die Velos werden ausprobiert, das Fotografiertwerden ist beliebt, Kopftücher werden ausgetauscht, und guten Mutes machen wir uns auf zum nächsten Unterfangen.

Wir müssen den Falémé überqueren um nach Mali zu gelangen. Mit verschiedenene Informationen von kaum mehr Wasser bis Überquerung nicht möglich wegen viel zu viel Wasser begeben wir uns ans Ufer und werden prompt vom Chef de Village empfangen. Nach einer herzlichen Begrüssung stellt sich heraus, dass sie uns mit einem Einbaum problemlos ans andere Ufer brächten. Könnte nicht besser laufen, freudig nehmen wir das Angebot an, doch nun kommts: 10'000 CFA, das entspricht 25 SFr, will er dafür! Das entspricht einem halben Monatslohn eines ungelernten Arbeiters. Trotz handeln und diskutieren bringen wir den Preis nur auf 7000 CFA – er sitzt eindeutig am längeren Hebel. Da hofft man nur, dass wenigstens das Dorf etwas vom Geld sieht…

Mali

Wenig unterscheidet die Malinke-Dörfer in Mali von denen ennet der Grenze – wir werden in jedem Dorf staunend betrachtet, die Kinder helfen uns, Wasser aus den ausgezeichneten Brunnen zu pumpen, die ein Projekt in mehreren Dörfern errichtet hat. Definitiv ein Erfolg der Entwicklungshilfe und ein riesen Unterschied zum lehmigen Wasser aus den offenen Brunnen. Die Pumpbrunnen werden geschätzt, die Leute wissen, in welchen Siedlungen einer steht und wo nicht, und oft wird er von einem Wächter auf- und zugeschlossen. Das Wasser wird sparsam gepumpt und der Überfluss läuft in die Viehtränke.

In Kenieba regeln wir die Einreiseformalitäten (dauert nur eineinhalb Stunden) und weiter geht es nördlich Richtung Kayes. Das Relief ist wieder hügeliger, dafür interssanter und strenger. Auch die Buschfeuer nehmen zu. Ein trauriger Anblick. Alles ist schwarz, voller Asche, und die stolzen grossen schattenspendenden Bäume sind total verkohlt und tot. Auch das Zelten en brousse wird so schwieriger, neben dem Mangel an Sichtschutz müssen wir auch das Feuer im Auge behalten, dies ist für uns Laien eine grosse Herausforderung. So geschieht es, dass wir eines Nachts alles packen und abbrechen müssen, um vor dem Feuer zu fliehen. Ein beängstigendes Erlebnis, das Spuren hinterlässt.

Kayes

Die Piste nach Kayes ist enorm staubig, und wenn wir von einem der Lastzüge überholt werden, die die Goldminen im Gebiet mit Kraftstoff versorgen, hoffen wir einfach, dass der Wind von der richtigen Seite bläst – es dauert schon ein paar Minuten, bis sich die Staubwolke verzogen hat. In Kayes erleben wir einen farbenfrohen, lebhaften Marché, wie wohl noch nie zuvor. Die Märkte scheinen sich immer mehr zu steigern. Wir hängen einen zusätzlichen Ruhetag an, da Tom einmal mehr flach liegt. Iris findet dafür eine neue Ruhetagsbeschäftigung und wir kochen nun die Fertigsauce für unterwegs selbst mit frischen Marktprodukten.

Da unser Reiseführer uns eine neue breite Piste entlang der Bahnlinie nach Bamako verspricht, entscheiden wir uns für diese anstatt dem Goudron. Tom genesen, starten wir am 13.12. die letzte Etappe vor Weihnachten. Nach zehn Kilometern treffen wir auf die super Piste: Wellblech empfängt uns, bald von steinigem, holprigen und hügligem Weg abgelöst. Wir kommen nur sehr langsam voran und müssen auch noch gegen den Wind kämpfen. Ein schöner Zeltplatz nahe des Senegalfluss und umgeben von Tafelbergen lässt die Anstrengung vergessen. Doch der nächste Tag wird noch übler, wir stossen unsere treuen Begleiter einmal mehr über Stock und Stein und müssen uns den Weg richtiggehend suchen. Nach drei Stunden haben wir gerade 20km, Tom hat einen Rückfall und so schlagen wir unser Zelt idyllisch an den Chûtes de Gouina auf und geniessen ein Bad im Senegal.

Über Bafoulabé und Manantali am Bafingstausee erreichen wir endlich Kita, wo wir ein einsames Tabaski (Hammelfest) verbringen und für einmal Iris das Bett hütet; die letzten Tage waren einfach zuviel Anstrengung. Die restlichen 120km nach Bamako fährt uns deshalb der Bus durch eintönige Buschlandschaft.

Bamako

Die malische Hauptstadt ist fast ein Schock nach den vielen Wochen im Busch und in kleinen Städtchen: Touristen-gewöhnte Guides, unzählige Entwicklungshelfer-Geländewagen, die rücksichtslos durch die Stadt brettern, und eine Unmenge der chinesischen Mobilettes machen die Strassen unsicher. In der Auberge Djamilla finden wir eine grüne Insel, wo wir uns ausruhen können und eine etwas andere Weihnacht feiern. Etwa die Hälfte der versandten Pakete erreicht uns, darunter zum Glück das Scheidweger Paket mit Ersatzreifen, Malariamedikamenten und einem kleinen Weihnachtsbaum! Dank westlichem Supermarkt lassen wir es uns gut gehen: Müesli zum Zmorge, Rindsfilet zum Znacht. Auch die Kultur kommt nicht zu kurz: das Nationalmuseum führt uns in die Maskenkunst Malis ein, und Bo Sissako spielt die Cora bis spät in die Nacht für uns. Am Weihnachtsabend besuchen wir den dreistündigen reformierten Gottesdienst – alles wird sowohl in Bambara als auch nach Französisch übersetzt, aber die beiden Chöre gefallen uns viel besser als die Globalisierungs- und Internet-feindliche Predigt.

2008

In Ségou bleiben wir für den Jahreswechsel, treffen per Zufall wieder Louisa & Greg, verbringen interessante Stunden mit ihnen, erleben einen einmaligen Wochenmarkt und logieren im Hotel Djoliba, einem ausgezeichneten Ort mit feinstem Essen (Cordon-Bleu und Härdöpfelstock).

Da die Hauptstrecke von Bamako nach Ségou langweilig und stark befahren war, entscheiden wir uns, ab da die unbekannte Route dem nördlichen Nigerufer entlang zu nehmen. Ausser dem Harmattan im Gesicht die richtige Entscheidung. Zum Neuen Jahr fahren wir über den Nigerdamm in Markala und durch riesige Bewässerungsflächen mit Reis- und Hirsefeldern. Trotz dornigem Zeltplatz geniessen wir wundervolle Sonnenuntergänge über dem gewaltigen Nigerstrom, der es Mali ermöglicht, heute mehr Reis zu produzieren, als es selbst benötigt.

In Diafarabé überqueren wir den Niger in einer Piroge und fahren durch herzige Banko-Dörfer mit beeindruckenden Lehm-Moscheen im Sudan-Stil. Da die Dörfer selten von Touristen besucht werden, haben die Kinder oft Angst, verstecken sich, die Kleinen beginnen zu weinen und selten hören wir Cadeau. In Mamba werden wir von einer Peul-Familie eingeladen und übernachten wieder einmal in einem Dorf, immer eine schöne Herausforderung: bestaunt werden, bestaunen, Armut aushalten, sich abgrenzen… Aber doch schön.

Nebst all dieser Schön- und Unberührtheit, den vielen Eindrücken ist es auch wieder eine strenge Etappe bis Djenné: es gilt als eine der schönsten Städte Malis, ist Unesco Weltkulturerbe, doch haben wir die letzten Tage wohl herzigere und vor allem wesentlich unberührtere Flecken entdeckt.

Gute Vorsätze und Letzte Gelegenheiten

Von Djenné werden wir übers Dogonland nach Burkina Faso einreisen und haben uns nun entschieden, unsere Reise in Accra, Ghana zu beenden. Für alle, deren Neujahrsvorsatz ist, uns mal ein Email zu schreiben, ist dies also die letzte Gelegenheit: am 15. März werden wir wieder Schweizer Boden unter den Füssen haben.

Buschfeuer

nochmals ich, aber mit einer Frage:

Wie verhält sich das mit den Buschfeuern. Sind das absichtlich gelegte zum Brandroden, oder sind das Unfälle, bei denen das Feuer unkontrolliert ausgebrochen ist? Oder ist es - ich zweifelte etwas - irgend etwas spontanes, wie Blitzschlag, Selbstentzündung oder so was?

Nur so aus Interesse.

Liebi Grüess ~dave

Buschfeuer

Lieber Dave, mit den Buschfeuern ist es ein wenig komisch: offiziell sind es Unfaelle, weggeworfene Zigis etc. Aber tatsaechlich ist das Brandroden eben auch eine alte Praxis, um den Busch zu verdraengen und (ineffizient) den Boden zu duengen. Jedenfalls koennen nie all die angetroffenen Feuer zufaellig sein - auf dem Land kann sich eh kaum jemand eine Zigarette leisten...

Liebi Iris, liebe Tom

Liebi Iris, liebe Tom

Herzlichen Dank für den erneuten Bericht. Habe ihn sehr gerne gelesen. Aber... was lese ich da. «Bad im Fluss»! Habt Ihr denn nie etwas von Bilharziose gehört? Aber sicher doch, nach dem Tropenkurs seid ihr sicher im Bild. So wünsche ich Euch, trotz des öfteren Flachliegens gute Gesundheit und schönes Weiterkommen. Trotz Tsetse, Bihlarziose, Durchfall, was auch immer.

Liebi Grüess
~Oerlikoner